Kekse in der Sandkiste
+Vorweg: Schreiben wir was über das Crowdstrike-Desaster? Nein, tun wir nicht. Oft genug gab es hier schon CC-Tech-News mit einem Fokus auf FOSS (Free Open Source Software) und darauf, warum diese proprietärer Software in vielerlei Hinsicht überlegen ist. Und das ist auch genau die einzige Antwort auf das Microsoft-Versagen der vergangenen Woche. Nein, wir schreiben hier über eine andere, ähnlich bedeutsame Entwicklung: Googles Initiative »Privacy Sandbox« rückt von dem Plan ab, Cookies zu blockieren.
Mal ehrlich: Dieser Tage durchs Internet zu surfen ist kein reines Vergnügen mehr, oder? (War es das jemals?
ist eine berechtigte Frage, aber die steht auf einem anderen Blatt.) Bei jedem Öffnen einer neuen Site legt sich erstmal aufdringlich ein Cookie-Banner über der den Inhalt, und wer nicht reflexhaft auf »Alles akzeptieren« klickt (was niemand tun sollte), hat je nach Anbieter einige Minuten konzentrierter Arbeit vor sich.
Die wenigsten dieser Banner zeigen die Option »Alles verbieten«, immerhin nimmt die Zahl derer zu, auf denen sich »Nur essenzielle erlauben« anklicken lässt, aber was wir uns tief im Innern doch eigentlich wünschen, ist, dass solche Banner gar nicht nötig wären. Richtig?
Google, Erfinderin des Cookie-gestützten Trackings, hat vor einer Weile angekündigt, im Chrome-Browser Cookies grundsätzlich zu sperren. Ab 2022.
Ah! Oh!
Äh – aber dann war es plötzlich schon 2022; huch! Daraufhin wurde der Termin auf 2025 verschoben. Und jetzt? Rudert der IT-Gigant ganz und gar zurück. DER SPIEGEL schrieb vorgestern: Anders als angekündigt, wird Googles Browser Chrome auch 2025 weiter Werbecookies akzeptieren. Damit steht das ganze Projekt auf der Kippe.
Das ganze Projekt
, das auf der Kippe steht, nennt sich »Privacy Sandbox« und ist eine von Google betriebene Initiative mit dem Ziel, die Quadratur des Kreises umzusetzen: Gezielt Werbung anbieten (denn das ist die Grundlage von Googles phänomenalen Umsätzen) und gleichzeitig die Privatsphäre der Nutzer nicht verletzen.
Spoiler Alert: Die Quadratur des Kreises ist ein unlösbares Problem der Geometrie, und es wird auch Google nicht gelingen, gezielte Werbung anzubieten, die Internetnutzer nicht ausspioniert. Zumal die Firma das vermutlich auch gar nicht will – schon vor vierzehn Jahren sagte der damalige Google-CEO und Multimilliardär Eric Schmidt: We know where you are. We know where you’ve been. We can more or less know what you’re thinking about.
(Wir wissen, wo du bist. Wir wissen, wo du warst. Wir wissen mehr oder weniger, was du denkst.
)
Nach außen allerdings hat die Firma immer wieder versucht, sich einen »Ihr-freundlicher-Nachbar«-Anstrich zu geben; Don’t be evil
(Sei nicht böse
oder Tu nichts Böses
) war bis 2015 Firmenmotto und stand bis 2018 immerhin noch am Anfang des Verhaltenskodex. (Inzwischen ist der Satz verschämt an dessen Ende gerutscht. Als Fußnote sozusagen.)
Es verwundert also nicht, wenn die Firma erstens diesen Rückzieher macht und zweitens nichts wirklich Konkretes als Ersatz anbietet.
Der Konzern formuliert es auf der Projektseite eher nebulös: Instead of deprecating third-party cookies, we would introduce a new experience in Chrome that lets people make an informed choice that applies across their web browsing, and they’d be able to adjust that choice at any time.
Grob übersetzt heißt das etwa: Statt Cookies aufzugeben, werden wir uns was ganz Tolles ausdenken, damit ihr selbstbestimmt wählen könnt, ihr werdet schon sehen!
Der Teilsatz that applies across their web browsing
bedeutet übrigens, dass auch weiterhin verschiedene Geräte – privates Smartphone, Job-Smartphone, Laptop, Smart-TV, Xbox, Fitness-Armband etc. – miteinander verknüpft werden sollen, damit Google und die Werbetreibenden ein möglichst vollständiges Bild erhalten.
Ach, und warum das wichtig ist? Nun ja, Chrome ist mit Abstand der meistverbreitete Web-Browser (rund 65 % Marktanteil) auf Computern und auch auf Mobilgeräten (rund 55 %). Heißt erstens: Von deren Cookies sind die meisten Menschen betroffen, und zweitens: Wenn die diese Initiative wieder zurückziehen, gibt es für andere Browser-Hersteller noch weniger Anlass, nicht evil zu sein.
Firefox zum Beispiel hat gerade für seine augenwischerische PPA (Privacy Preserving Attribution API) einen veritablen Shitstorm kassiert, und das zu recht: Mit dem jüngsten Update werden plötzlich Nutzerdaten an Werbetreibende weitergegeben – und zwar nicht als Opt-in, also mit Zustimmung der Nutzer*innen, sondern als in den Einstellungen verborgenes Opt-out (Häkchen entfernen).